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Verbunden

An manchen Tagen schrumpfte ihr Haus. Es schrumpfte aber nicht so, wie das Haus ihrer Freundin Tilda, das um Tilda herum schrumpfte und ihr mit seinen geblümten Tapeten immer näher rückte. Tilda glaubte dann ersticken zu müssen. Manchmal riss sie sich auch die Kleider vom Leib, weil sie Millionen winzig kleiner Ameisenfüße auf der Haut spürte. Tildas Mann rief dann beim Arzt an und brachte auf dem Nachhauseweg eine kleine Packung Pillen mit. Meistens hörte Tildas Haus dann für ein paar Wochen auf, zu schrumpfen. Leider gab es für ihr Haus keine Anti-Schrumpf-Pillen. Ihr Haus schrumpfte nämlich nicht um sie herum, sondern um ihr Telefon. Es fing damit an, dass das Telefon eine Aura bekam. So wie Migräne sich ankündigt, drohte das Telefon ihr durch seine bloße Existenz: Durch die schiere Möglichkeit des Klingelns. Als nächstes erwischte sie sich dabei, wie sie es überall mit hinnahm. Nicht wirklich natürlich, aber in Gedanken. Das Telefon und die Menschen am anderen Ende der Leitung. Diese Leitung, die ihr manchmal vorkam wie die leibhaftige Nabelschnur – nur dass sie es war, die die anderen nährte. Als letztes verlor ihr Haus seine Räume – alle bis auf einen. Dort saß sie auf dem Sofa, den Blick auf das Telefon gerichtet, wissend, was kam. Wissend, dass sie gegen ihren Willen abheben würde. Manchmal wickelte sie das rote Kabel um ihren Zeigefinger, langsam, Schlaufe für Schlaufe. Dann drückte sie zu und stellte sich vor, wie es am anderen Ende plötzlich ganz ruhig wurde.

Eines Tages. Eines Tages würde sie die Leitung kappen.