Das Einzige, was Karla über ihre Großtante wusste, war, dass in ihrer Familie nur im Flüsterton von ihr gesprochen wurde. Sofia Larsson war einer dieser Menschen, von dem jeder etwas zu wissen glaubt, den zu kennen aber niemand zugeben wollte. Typisch Tante Sofia! hörte sie ihre Mutter manchmal sagen, wenn in dem großen Herrenhaus auf dem Hügel vor der Stadt ein weiterer junger Mensch Zuflucht gefunden hatte, den das Schicksal zum Verehrer einer brotlosen Kunst erkoren hatte. Was will sie nur mit diesen Leuten? Ihren eigenen Zirkus aufmachen? Karlas Vater fand Bemerkungen dieser Art sehr amüsant. Karla fand sie schwer zu ertragen. In Wahrheit wäre sie nämlich selbst gerne in das Haus auf dem Hügel gezogen. Umso mehr freute sie sich, als ihr eines Montags ein purpurroter Brief verkündete, sie sei am ersten Sonntag des folgenden Monats zur Messe auf den Hügel geladen. Das musst du schon selbst wissen, hatte ihre Mutter gesagt und ihr Mund war dabei zu einem dünnen Strich in ihrem Gesicht geworden. Aber vergiss bitte nicht: Die Leute reden. Und weil Karla wusste, dass die Leute so oder so redeten, fand sie sich am ersten Sonntag des folgenden Monats in dem Herrenhaus auf dem Hügel ein. Herzlich willkommen zur heiligen Messe, flüsterte Tante Sofia, und führte Karla auf eine Empore, die den Blick auf einen großen Ballsaal freigab, der zur Hälfte unter Wasser stand. In dem Wasser trieb ein buntes Dutzend Menschen. Manche sprangen von den Tischen, die wie Treibgut vor sich hinschaukelten, andere schwammen um die Säulen, die die Decke hielten oder rezitierten Gedichte, während andere prustend den Kopf durch die Wasseroberfläche schoben. Was passiert hier? fragte Karla. Ist das denn nicht offensichtlich? erwiderte Tante Sofia. Wir waschen uns von unseren Sünden rein. Sie zwinkerte ihrer Nichte zu. Aber Nacktheit ist optional.